Gepa / Misereor: 50 Jahre fairer Kaffee

Sören Nolte
19 September 2023
In dieser Woche feiert fair gehandelter Kaffee in Deutschland ein rundes Jubiläum. Dieses nimmt die Fair Handelsgesellschaft Gepa gemeinsam mit der Trägerorganisation Misereor für einen Appell zum Anlass, den Anteil von fair gehandeltem Kaffee im Verbraucher- und insbesondere im Außer-Haus-Markt zu erhöhen. Denn das sei eine wichtige Existenzgrundlage für viele Kleinbauern.

Vor 50 Jahren, am 21. September 1973, wurde die erste Charge des „Indio-Kaffee“ genannten Getränks aus Guatemala von einem Lager in Frankfurt an Kunden ausgeliefert. Initiator war ein Bildungsreferent des katholischen Werks für Entwicklungszusammenarbeit Misereor, der die Ware in Aachen über die niederländische Stiftung S.O.S. bezogen hatte. Dieses Datum gilt als ein Grundstein für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Fairen Handels.

Über die Zeit entstanden immer mehr „Dritte-Welt-Läden“ – heute „Weltläden“ -, die neben Kaffee eine Vielzahl weiterer Produkte verkaufen, und das zu Preisen, mit denen deren Erzeuger auf „ehrliche Weise“ entlohnt werden können, wie es in den damaligen Pionierzeiten formuliert wurde. Diese Preise sollten existenzsichernd sein, also so hoch, dass Bauern nicht nur die eigenen Kosten decken und ihre Familien ernähren, sondern auch in eine nachhaltige Zukunft investieren können.

Kaffee als wichtige Produktgruppe

Innerhalb weniger Jahre professionalisierte sich der Faire Handel „in rasantem Tempo“, schreibt das Fair Handelsunternehmen Gepa anlässlich des Jubiläums. Nachdem die damaligen Dritte-Welt-Läden den „Indio-Kaffee“ zunächst über S.O.S. Wereldhandel, die heutige niederländische Fair Handelsorganisation FTO, bezogen hatten, wurde 1975 der Importeur Gepa gegründet, zu dessen Trägerorganisationen unter anderem Misereor gehört. Bei der Gepa ist Kaffee bis heute eines der Hauptprodukte. Etwa 45 Prozent des Umsatzes macht das gemeinwohlorientierte Unternehmen mit dem Verkauf der fair gehandelten Bohnen, die es mittlerweile in einer sehr breiten Produktpalette gibt.

Geringer Marktanteil

„Bei aller Freude darüber, dass fair gehandelter Kaffee inzwischen ein weithin bekanntes Produkt ist, das auch in die meisten Supermärkte Einzug gehalten hat, ziehen die Gepa und Misereor eine gemischte Bilanz“, heißt es in einer aktuellen Gepa-Unternehmensmitteilung. Denn fairer Kaffee habe in Deutschland nur einen Marktanteil von rund sechs Prozent, während es zum Beispiel in der Schweiz fast 16 Prozent seien. Die meisten Verbraucher würden herkömmliche Produkte bevorzugen, bei denen – Stand September 2023 – pro amerikanisches Pfund (454 Gramm) Arabica-Kaffee kaum mehr als 1,50 US-Dollar gezahlt würden. Demgegenüber garantiere der Faire Handel den Kaffeebauern einen Mindestpreis von 1,80 Dollar.

Appell an den Außer-Haus-Markt

„Der vergleichsweise geringe Preisunterschied bedeutet für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern dennoch ein Sicherheitsnetz, mit dem der Faire Handel alleine steht auf dem Markt der zahlreichen Nachhaltigkeitsinitiativen“, betont Annette Ptassek. Als Geschäftsführerin von Misereor ist sie für den Fairen Handel zuständig. „Echten Fairen Handel gibt es nicht ohne einen Preis, der mindestens die Kosten deckt. Daher appelliert Misereor an die Konsumentinnen und Konsumenten: Entscheiden Sie sich für den echten Fairen Handel“, betont Ptassek.

Wilfried Wunden, Referent für Fairen Handel bei Misereor, ergänzt: „Auch nach 50 Jahren beruht der Erfolg der Kaffeewirtschaft in Europa auf der Ausbeutung von Menschen, die am Anfang der Lieferkette stehen. Gleichzeitig liegt das Problem zum Beispiel dort, wo Kaffee in großen Mengen getrunken wird: in Betriebskantinen, an Automaten von Raststätten oder auch in Krankenhäusern. Gerade dort sollte konsequent auf fairen Kaffee umgestellt werden.“

Gepa-Geschäftsführer Peter Schaumberger würdigt das Engagement zahlreicher Akteure und Initiativen, die sich für die Weiterverbreitung des fair gehandelten Kaffees stark machten: „Ich danke vor allem den Weltläden: Sie haben als Pioniere den Weg für faire Lieferketten in Deutschland geöffnet. Dieses Ziel verfolgen sie bis heute: Durch Handel(n) im doppelten Sinne – praktisch und politisch.“ Bis heute zeige Kaffee als wichtigstes, inzwischen überall erhältliches Gepa-Produkt, wie benachteiligte Kleinbauern im Globalen Süden gestärkt werden könnten.

Krise in Guatemala

Dass die Branche aktuell jedoch große Herausforderungen bewältigen müsse, zeige laut Mitteilung die seit Monaten anhaltende Krise bei der Kaffeegenossenschaft Fedecocagua in Guatemala. „Deren Geschäftsführer Ulrich Gurtner wurde im Frühjahr unter dem Verdacht angeblicher Geldwäsche festgenommen. Bis heute wurde ihm ein rechtsstaatliches Verfahren verwehrt. Nachgewiesen wurde dem Beschuldigten bisher nichts“, teilt die Gepa mit. Das Unternehmen befürchte, dass die Kaffeegenossenschaft als bedeutender Akteur des Kaffeehandels geschwächt und aus dem Markt gedrängt werden solle.

Wie das Handelsunternehmen weiter berichtet, konnte Ulrich Gurtner mittlerweile das Gefängnis verlassen, stehe aber unter Hausarrest. Nachdem der Kaffeehandel bei der Genossenschaft einige Wochen unterbrochen war, könne Fedecocagua derzeit den Handelsaktivitäten wieder nachgehen.

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